TSO-DSO-Flexibilität: Auf dem Weg zur integrierten Netzsteuerung und -koordination in der Schweiz

Partner: ETHZ (FEN), Swissgrid, EWZ, Repower
Dauer: 11/2018 - 03/2022
Finanzierung: SFOE
Projektleiter: ETHZ
Projektteam: Dr. C. Yaman Evrenosoglu, Dr. Jared Garrison, Dr. Alexander Fuchs, und Dr. Turhan Demiray

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externe SeiteDie BFE Webseite
 

Die Verbreitung dezentraler Stromerzeugung in Mittel- und Niederspannungsnetze ist eine wesentliche Voraussetzung für die Erreichung der CO2-Ziele. Gleichzeitig werden grosse thermische Generatoren, die an die Hochspannungsebene angeschlossen sind, ausser Betrieb genommen oder stehen nur noch zeitweise zur Verfügung. Dies hat zur Folge, dass die traditionelle Flexibilitätsquelle des Stromnetzes
durch konventionelle Erzeugung (Hoch- und Herunterfahren von Wirk-/Blindleistung) abnimmt. In der Zwischenzeit erfordert die zunehmende Stochastizität von intermittierenden Erzeugungsanlagen wie PV sowie die neu elektrifizierte Nachfrage durch Wärmepumpen und E-Mobilität, dass das Gesamtsystem noch flexibler als heute genutzt wird.

Dieses Projekt konzentriert sich auf die neue Form der Flexibilität, die für den zukünftigen Betrieb des Stromsystems wesentlich ist: Dienstleistungen, die von dezentralen Energieressourcen dem ÜNB angeboten werden (ausgenommen der Dienstleistung für den lokalen VNB). Es wird davon ausgegangen, dass die Flexibilitätsaggregation an der Schnittstelle zwischen ÜNB und VNB durch den Verteilnetzbetreiber 
oder einen Aggregator erfolgt. Wir schlagen einen automatisierten Ansatz zur Schätzung des resultierenden Flexibilitätsbereichs vor. Die Vorteile der Nutzung der aggregierten Flexibilität werden im Kontext der Schweiz für Regelenergie und den Betrieb des Übertragungsnetzes untersucht und demonstriert. Durch die Kombination realistischer Betriebsdaten mit realen Netzdaten trägt das Ergebnis dieses Projekts zu den Bemühungen der ÜNB und VNB bei, einen stärker integrierten Betriebsrahmen zu schaffen.

  • Erwartete Zunahme der Verfügbarkeit von Anlagen basierend auf dezentralen und erneuerbaren Technologien
  • Die Integration aller Anlagen ist an sich schon eine Herausforderung, dadurch ergeben sich aber gleichzeitig Möglichkeiten zur Bereitstellung von Dienstleistungen für das Hochspannungsnetz 
  • Interesse an der Bewertung des Nutzenpotenzials, das durch unterschiedliche Koordinationsmassnahmen zwischen dem ÜNB und den VNB in der Schweiz erreicht wird

Die erwartete Verlagerung hin zu einer dezentralen und erneuerbaren Stromversorgung stellt sowohl den Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) als auch die verteilten Netzbetreiber (VNB) vor Herausforderungen. Zusammen mit dieser Verschiebung gibt es jedoch auch zunehmend Möglichkeiten für dezentrale Energieressourcen und Betreiber, sich mit dem zentralen Hochspannungsnetz zu koordinieren und Dienstleistungen für dieses zu erbringen. In diesem Projekt wird das Potenzial der Vorteile bewertet, die durch verschiedene Ebenen der Koordination zwischen dem ÜNB und den VNB in der Schweiz erzielt werden.

Um die Vorteile der Nutzung von Flexibilitäten zu bewerten, die von dezentralen Energieressourcen wie kleinen PV-Anlagen, BESS für Haushalte, elektrischen Wärmepumpen für Haushalte und privaten E-Fahrzeugen in Mittel- oder Niederspannungsnetzen geboten werden können, wird ein methodischer Rahmen mit zwei Perspektiven entwickelt: Bottom-up und Top-down.

Die Bottom-up-Perspektive umfasst drei Aspekte.

  • Zunächst werden Szenarien und Nutzungsmuster für ein repräsentatives Niederspannungsnetz erstellt und die Verfügbarkeitsgrenzen jeder dezentralen Energiequelle ermittelt. 
  • Zweitens berechnen wir unter Verwendung eines optimalen AC-Leistungsflusses die maximal mögliche Flexibilität, die von jeder dezentralen Energiequelle angeboten, und an der Schnittstelle aggregiert werden kann. Dabei maximieren wir den “zusätzlichen” positiven/negativen Wirk- und Blindleistungsaustausch an der Schnittstelle um den Betriebspunkt herum, wobei die thermische Belastung und die Spannungsbeschränkungen des Verteilnetzes berücksichtigt werden. Das Ergebnis ist eine Zeitreihe maximaler “zusätzlicher” Flexibilität in jeder Richtung für Wirk- und Blindleistung, die eine “Flexibilitätsregion” um einen Betriebspunkt an der Trafostation darstellt. 
  • Schliesslich wird ein Vergütungsschema für jede dezentrale Energiequelle festgelegt, so dass die identifizierte Flexibilitätsregion mit Kosten verbunden ist. 

Die Top-Down-Perspektive bezieht sich auf die Bewertung der Vorteile der Nutzung der aggregierten Flexibilitäten, die von einer grossen Anzahl von Verteilnetzen in der Schweiz bereitgestellt werden, in zwei Fallstudien.

  • Erstens formulieren wir für Frequenz- (z.B. Sekundär-) Reserven ein Ko-Optimierungsproblem für den gleichzeitigen Einsatz von Energie und Reserveleistung, um die Auswirkungen auf die Erzeugungund die Systemkosten zu quantifizieren, wenn die Flexibilitäten auf dem Reservemarkt angeboten werden. 
  • Zweitens untersuchen wir im täglichen Betrieb, wie die aggregierten Flexibilitäten die erforderliche Stromerzeugung in den Wasserkraftwerken entlasten können, so dass die Wasserkraftwerke in den Wintermonaten weniger stark belastet werden. Das Problem wird als ein stündlicher optimaler AC-Optimaler Leistungsfluss formuliert.

Die wirtschaftliche Attraktivität und die Auswirkungen der Nutzung von aggregierten Flexibilitäten zur Bereitstellung von Dienstleistungen für den Strommarkt durch das Angebot ihrer flexiblen Wirkleistung (positiv und negativ) als “Kapazitätsreserve” und als “Erzeuger” in der Schweiz werden anhand einer Reihe von Szenarien aufgezeigt, die verschiedene lokale Randbedingungen (z.B. Verbreitungsgrad,
Vergütungshöhe usw.) und verschiedene internationale Systembedingungen abdecken. 
In den Schlussfolgerungen werden die Randbedingungen und die Parameter dargestellt, die den potenziellen Nutzen der Nutzung der aggregierten Flexibilitäten beeinflussen.

Zusammenfassend lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:

  1. Die Flexibilitäten der einzelnen dezentralen Energieressourcen können an der Schnittstelle zwischen ÜNB und VNB aggregiert werden,
    so dass sie als Dienstleistung für die ÜNB angeboten werden kann. Vorraussetzung ist das Vorhandensein eines Vergütungssystems und, dass die Dienstleistungen die Beschränkungen des Verteilnetzes respektieren. Der Umfang der aggregierten Flexibilität hängt in hohem Masse von der Auslegung des Verteilnetzes, der Jahreszeit, der Tageszeit und dem Verbreitungsgrad der kleinen dezentralen Energiequellen, insbesondere der BESS, ab.
  2. Die Nutzung der Flexibilitäten als Frequenzreserve senkt die Gesamtkosten des Systembetriebs. Die Abwärtsflexibilität, die als Abwärtsreserve angeboten wird (durch das Aufladen von BESS, die Erhöhung der konventionellen Nachfrage, das Einschalten von Wärmpumpen und das Aufladen von E-Mobilität), hat das grösste Potenzial, da diese dezentralen Energieressourcen
    zusammen über eine beträchtliche verfügbare Leistung während der Stunden verfügen, in denen ihr Angebotspreis unter dem Reservepreis liegt. Das Hochfahren der Flexibilität als Aufwärtsreserve ist unter den gegebenen Annahmen oft nicht preislich wettbewerbsfähig.
  3. Die Nutzung der aggregierten Flexibilitäten an allen Lastknoten im gesamten Schweizer Übertragungsnetz führt zu einer effizienteren Netzauslastung und damit zu einer Verringerung des Bedarfs an Wasserkraftwerken (relevant für die “Winterreserve”), insbesondere nach dem Ausstieg aus der Kernenergie und bei einem hohen Anteil an solarer PV-Erzeugung.

Die Gesamtergebnisse befassen sich mit den Schlüsselbereichen der Interaktion zwischen ÜNB und VNB im Allgemeinen, sind aber besonders relevant für die künftige Entwicklung hin zu einem integrierten Stromnetzbetrieb in der Schweiz. Eine verstärkte ÜNB-VNB-Koordination mit den in dieser Studie entwickelten Ansätzen kann die Auswirkungen wichtiger aktueller und mittelfristiger Herausforderungen abmildern, wie z. B. die dynamischen und stochastischen Profile der wachsenden PV- und EV-Kapazitäten in der Schweiz, die abnehmende konventionelle Erzeugung und die potenziell reduzierte konventionellen Erzeugung und potenziell reduzierten Übertragungskapazitäten aus Europa.

Abschätzung des Flexibilitätsbereichs am TSO-DSO  Umspannwerk
Abschätzung des Flexibilitätsbereichs am TSO-DSO Umspannwerk
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